Berührende Spurensuche
„Wenn ich normal wäre, hätte sie mich geliebt“ Worte, ausgesprochen vor über 80 Jahren. Worte, die nach all der Zeit immer noch ans Herz gehen. Ewald Rupprich war nach damaliger Maßstäben nicht normal. Der junge Mann, Schuster von Beruf, hatte Epilepsie. Die angesprochene Herzensdame war die Großmutter von Detlev Kmuche, der Großneffe von Ewald Rupprich.
Der pensionierte Lehrer Detlev Kmuche hat die tragische Biografie seines Großonkels, der beinahe zwei Weltkriege überlebte, in Archiven und im Gespräch mit Zeitzeug:innen, darunter seine Mutter, erforscht. Beim persönlichen Besuch der Friedhöfe der LWL-Einrichtungen Marsberg hat er sich auf Spurensuche und die Suche nach dem Grab begeben.
Ewald Rupprich wurde am Nikolaustag des Jahres 1900 in Westenfeld geboren und ist am Silvestermorgen 1944 in der Marsberger Psychiatrie verstorben. Zeit seines Lebens hat Ewald Rupprich die volle Härte des unmenschlichen Systems zu spüren bekommen. Der junge Mann wurde in Bethel zwangssterilisiert, verlor während seiner Zeit dort 13 Kilo. Nach seiner Ankunft in Marsberg wog er noch 59 Kilo, später starb er mit nur noch 53 Kilo auf den Rippen. Vermutlich eine Folge der Nahrungsmittelknappheit und des Hungersterbens in Anstalten während des zweiten Weltkriegs.
Die „Remembrance Poppy“
Nach der leider erfolglosen Suche nach dem Grabstein auf beiden Friedhöfen hat Detlev Kmuche ein Kreuz am Gedenkstein an der Bredelarer Straße niederlegt. Auf dem Kreuz ist eine stilisierte Mohnblüte zu sehen, die sogenannte „Remembrance Poppy.“
Roter Klatschmohn ist als Symbol des Gedenkens an die Opfer von Krieg in Großbritannien tief verwurzelt. Der Mohn bezieht sich auf das Gedicht „In Flanders Fields“ von John Mc Crae, einem kanadischen Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg. Die im aufgewühlten Boden schlummernden Samen der Mohnblumen begannen auf den frisch aufgeschütteten Soldatengräbern als erstes zu blühen. Die rote Färbung der Blüte symbolisiert das vergossene Blut auf den Schlachtfeldern. Zudem wurde damals aus Mohn Schmerzmittel für die verwundeten Soldaten gewonnen.
Detlev Kmuche, für sein Engagement in Sachen Frieden und Völkerverständigung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, betont noch eine weitere Facette: Rot als Farbe der Liebe. Rot als Hommage an vor fast einem Jahrhundert geflüsterte Worte: „Wenn ich normal wäre, hätte sie mich geliebt.“
Poesie gegen das Grauen
In Flanders Fields ist vermutlich das berühmteste Gedicht des Ersten Weltkriegs. Die Zeilen zieren viele Mahnmale und Erinnerungstafeln.
Nicht nur die im Gedicht beschiebene Mohnblume, sondern auch andere Blumen sind Symbole für das Gedenken an Kriegstote geworden. In Deutschland ist es das Vergissmeinnicht und in Frankreich die Kornblume.